Magdeburg Herbsttreffen 30.09. - 03.10.2022

Die Gruppe vor dem Magdeburger Westfriedhof

Ein persönlicher Bericht von Ronja Heinrich; Bundesfreiwilligendienstleistende

Da sitze ich nun also vor meinem Nudelauflauf, Freitagabend allein an einem Tisch in der Jugendherberge in Magdeburg. Um mich herum herrscht rege Stimmung, Gesprächsfetzen dringen zu mir durch, eine allgemeine Wiedersehensfreude schallt durch den Speiseraum. Anlass dafür, ist das Herbsttreffen des Bundesjugendarbeitskreises (BJAK), welches dieses Jahr vom Fachbereich Internationale Jugendbegegnungen und dem Jugendarbeitskreis (JAK) Sachsen-Anhalt in Magdeburg ausgerichtet wird.
 

Die halbjährliche Zusammenkunft dient auch dem Treffen neuer Mitglieder

Circa 40 Jugendliche und junge Erwachsene sind der Einladung in die Landeshauptstadt gefolgt, darunter zwei des JAK Thüringen, und alle scheinen sich bereits ewig zu kennen. Ich dagegen bin erst seit knapp einem Monat im Rahmen meines Bundesfreiwilligendienstes im Landesverband Thüringen beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge beschäftigt. Doch sobald mein Teller leer ist, fasse ich mir ein Herz und setze mich zu ihnen. Während der nächsten Stunden wird mir bewusst, längst nicht nur ich bin den anderen unbekannt, vielmehr dient die halbjährliche Zusammenkunft auch dem Treffen neuer Mitglieder.

Nach einer kurzen Begrüßungsansprache von Anne Schieferdecker, Bildungsreferentin des Fachbereiches Internationale Jugendbegegnungen, geht es raus in die nächtliche Innenstadt. Martin Neumeister, Mitglied des JAK Sachsen-Anhalt, führt die Gruppe entlang des Hundertwasserhaus, des Doms und sorgt somit für einen ersten Überblick. Auf das Frühstück am Samstag folgt ein kurzer Weg durch den Regen, das Wetter ist mies, die Stimmung dafür umso besser. Angekommen im Forum Gestaltung folgt eine Besprechung zu der Umstrukturierung der Jugendverbände innerhalb des Volksbundes und einer neuen Marketingkampagne.
 

Anstehende Projekte werden vorgestellt

Danach teilen sich die Teilnehmenden nach persönlichem Interesse auf: die eine Gruppe besucht einen Workshop zum Thema Informationsverbreitung in sozialen Netzwerken, die andere absolviert die Geo-Caching-Tour Magdeburg und der Erste Weltkrieg: Die Heimatfront. Ich entschied mich zwar für das Letztere, durchlief jedoch keine der Stationen, denn meine Kleingruppe einigte sich darauf, den evangelischen Dom, die katholische Kirche und das Hundertwasserhaus nochmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Zwei Stunden lang entzifferten wir lateinische Inschriften auf Grabplatten, deuteten sakrale Reliefs und bestaunten die Kunstfertigkeit der Glaser anhand der bunten Kirchenfenster. Doch auch in den Gotteshäusern fanden wir Spuren des Ersten Weltkrieges, so hat das Magdeburger Ehrenmal von Ernst Barlach im Dom seinen Platz gefunden. Ursprünglich den Opfern des Ersten Weltkrieges gewidmet, mahnt es heute die Lebenden eindringlich vor Krieg im Allgemeinen und den verheerenden Folgen.
 

Arbeitseinsatz auf dem Westfriedhof

Frisch gestärkt und wieder vereint machten sich alle nach dem Mittagessen mit der Straßenbahn zu einem Arbeitseinsatz auf dem Westfriedhof auf, wo sowohl die Kriegsgräber aus dem Zweiten Weltkrieg als auch das Gräberfeld der Opfer des Faschismus gepflegt werden mussten. Zu unserem Glück war der Nieselregen vom Vormittag ein paar sehr sonnigen und warmen Herbststunden gewichen und während Steinplatten geschrubbt, Laub geharkt und Unkraut gejätet wurde, kam man kaum drumherum die Freude wahrzunehmen, mit der jeder bei der Arbeit war. Auch der Nachher-Effekt belohnte die Fleißigen. Allerdings hätte ich gerne noch mehr über die Toten und die Grabanlagen erfahren; dies kam meiner Meinung nach zu kurz.
 

Besuch der Gedenkstätte Moritzplatz

Wie schon am Tag davor ließen wir den Abend gemeinsam bei ein paar Bier und vielen Albernheiten ausklingen. Der Sonntag begann mit einem Besuch der Gedenkstätte Moritzplatz, einer ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR. Wir hatten die Möglichkeit uns in den original eingerichteten Zellen ‚einsperren‘ zu lassen, den Himmel über dem Freigang zu betrachten und den persönlichen Geschichten der Insassen zu lauschen. Die hier vollzogene psychische Folter der Häftlinge machte mich betroffen und wieder einmal lernte ich meine eigene Freiheit vor dem Hintergrund der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung schätzen. Ebenfalls konnte ich viele Parallelen zu der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt entdecken, welche ebenfalls ein einstmaliges Stasi-Gefängnis ist. Einen intensiven und bildenden Vormittag hinter uns, versammelten sich alle Beteiligten wieder im Forum Gestaltung, um vor Pizzakartons und Pasta-Schälchen an riesigen Tischen zusammen Mittag zu essen.
 

Kreativität ist gefragt

Nur kurze Zeit später ersetzten jedoch Pinsel, Bleistifte und Tontafeln die Papierservietten und das Essbesteck, denn nun sollten wir uns selbst kreativ an dem Großvorhaben Peace Monument Floris Pax beteiligen. Das mehrjährige Kunst- und Bildungsprojekt soll 2024 in Magdeburg eröffnet werden und entsteht durch die Partizipation von 2 500 Menschen, die sich alle auf jeweils einer Tonkachel künstlerisch mit dem Thema Frieden auseinandersetzen. Zuerst zögerlich doch dann sehr ideenreich fand jeder einen individuellen Zugang zu der Aufgabenstellung und so entstanden unter der Leitung des Künstlers Marcus Barwitzki 40 einzigartige Kunstwerke.

Gemeinsam - statt einsam!

Den letzten Abend wollten wir wieder in Gemeinschaft verbringen und so fanden sich kleine Grüppchen zum Filmeabend, zum Barbesuch oder für eine Riesenradfahrt auf der Kirmes, die gerade in Magdeburg stattfand. Bei dem Geruch von gebrannten Mandeln, dem Geräusch der zerspringenden Keramikplättchen aus den Schießbuden und den Lichtern der Stadt unter unserer Gondel habe ich mich kein bisschen mehr allein gefühlt. Stattdessen sind mir die Menschen hier mit Offenheit und Herzlichkeit begegnet und ich traf junge Leute, die meine Interessen und meinen Wissensdurst teilen. An diesem wirklich erfüllten Wochenende in Magdeburg habe ich diskutiert, getanzt, gefuttert, erlebt, gesungen, Anteil genommen, gemalt, geharkt, gequatscht, verstanden und gelacht. 

„Ich danke dem lieben Orga-Team und allen Beteiligten für die schöne Zeit. Ich komme wieder!“

Ronja Heinrich