Meldungen aus dem Landesverband Thüringen
Meldungen aus dem Landesverband Thüringen

Jugendarbeitskreis Thüringen und Reservisten in Gera

von Leonie Thenent (JAK Thüringen)

Historische Einordnung des Ostfriedhofes

Letzten Samstag versammelten sich Mitglieder des JAK Thüringen, Heike Födisch vom Vorstand des Volksbundes in Thüringen, sowie Bildungsreferent Sebastian Fehnl, ein externer Freiwilliger und die Reservisten-Kameradschaft Tonndorf der Bundeswehr auf dem Geraer Ostfriedhof. Es war für die Thüringer der erste Arbeitseinsatz auf einer Kriegsgräberstätte im Jahr 2022. Die gesamte Arbeitsgruppe war froh, den Termin des 21.05.2022 verwirklichen zu können, nachdem sich die Corona-Lage entspannt hat und Wintereinbrüche im April, die den ursprünglich veranschlagten Termin unmöglich machten, vorüber sind. Zusammen mit den Reservisten bewegte sich die Gruppe auf diversen Grab- und Gedenkanlagen. Die Gräber wurden mit Bürste und Spachtel von Moos und Spuren der Verwitterung gereinigt, große Steine wurden von den Zugangswegen entfernt, sodass Barrierefreiheit für alle Besucher*innen der Kriegsgräberstätte gesichert werden konnte.

Der Ostfriedhof, welcher am 10.06.1900 eingeweiht wurde, ist der größte in der Stadt Gera, der verschiedene Kriegsgräberstätten und Denkmalanlagen auf seiner Fläche zusammenfasst. Von den insgesamt 8400 Gräbern können 1320 zu Kriegsgräbern gezählt werden. Wie divers die Anlagen sind, zeigt sich einerseits in ihrer Aufmachung, andererseits, welchen Menschen sie überhaupt gewidmet sind. Neben dem Sowjetischen Denkmal, dem Sozialistischen Ehrenhain und Soldatengräbern des Zweiten Weltkrieges, auf die sich die Arbeitsgruppe vorrangig konzentrierte, fanden ebenfalls Bombenopfer von den Bombenangriffen in den letzten Kriegsjahren auf die Stadt Gera, Juden und Jüdinnen, Kinder von ehemaligen Zwangsarbeiter*innen sowie ihre Eltern und Krankenpfleger*innen der Lazarette ihre letzte Ruhestätte. Der Geraer Ostfriedhof ist also Kulminationspunkt von unterschiedlichen historischen Perspektiven und bietet daher eine hervorragende Möglichkeit der Auseinandersetzung für alle Besucher*innen. 

Gera galt als ein zentrales Industriezentrum im NS- Regime, man stellte in einem Hydrierwerk essenziellen Kraftstoff her. Ein Kessel des Werks explodierte bei einem Bombenangriff und riss unzählige Menschen, auch in unmittelbarer Umgebung in den Tod. Zwangsarbeiter*innen, die unter anderem in diesem Werk arbeiten mussten, kamen vor allem durch schlechte Arbeitsbedingungen ums Leben. In Gera waren es ab 1943 über 3000 Zwangsarbeiter*innen. Ihre Kinder starben vor Ort oftmals an lebensgefährlichen Krankheiten.  
Der gemeinsame Arbeitseinsatz machte einen weitgehend generationsübergreifenden Austausch möglich, was bei der Thematik, die sich der Volksbund annimmt, von besonderer Bedeutung ist. Denn so wird der Anschluss von etwa Kindern der Nachkriegsgeneration und ihren Eltern, die Vertreibung, Wehrdienst oder Flucht noch erlebten, zur Jugend gewahrt. Besonders auffallend an diesem Tag war ebenfalls die aufgekommene Frage, welche Zukunft Kriegsgräberstätten haben werden und wie unterschiedlich der Umgang mit ihnen in unterschiedlichen Zeiten war. Da wo einst kultig und militärisch an die Rote Armee und Kämpfer im Sozialismus am Sowjetischen Denkmal und dem Sozialistischen Ehrenhain gedacht wurde, weht der Wind heute nur noch vage über das Gras und durch die kaum besuchten Grabsteine. Der Scheinwerfer, der früher die Wandschrift „Ruhm und Ehre den Helden der Sowjetunion“ anstrahlte, ist seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb genommen wurden. 
 

Gedenken verändert sich, wie sich Kontexte verändern. Aktuell sehen wir in der Realität, welches Maß es an Differenzierungsvermögen und Reflexion dazu braucht. Die Ukraine wurde vor wenigen Monaten von der russischen Armee angegriffen, was zu unabdingbaren, neuen Fragen zum Umgang mit dem Weltgeschehen und der Rolle des Volksbunds darin führte. 
Ein gelungener und lehrreicher Arbeitseinsatz war dieser Samstag für alle Beteiligten und der JAK Thüringen freut sich auf weitere gute Zusammenarbeit mit der Reservisten-Kameradschaft Tonndorf.