Meldungen aus dem Landesverband Thüringen
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„Der Vergangenheit zuhören“ – Volkstrauertag in Sonneberg

Der Volkstrauertag ging am Sonntag an den vielen Gedenkstätten im Sonneberger Stadtgebiet für die Weltkriegsopfer einher mit mahnenden Worten.

Sonneberg - in Hönbach, Steinbach und Oberlind, am Sonneberger Hauptfriedhof, Haselbach, Spechtsbrunn und Mürschnitz legten Vertreter der Stadt am Sonntag Blumengebinde ab. In die Termine teilten sich Bürgermeister Heiko Voigt und sein Vize Christian Dressel hinein. Musikalisch umrahmt wurde das Beisammensein vielfach vom „Alpenecho“, im Oberlinder Kirchhof von der Blaskapelle Oberlind.

Voigt hatte eine Rede vorbereitet, der er Worte von Erich Kästner (1899 - 1974) voranstellte: „Die Vergangenheit muss reden und wir müssen zuhören. Vorher werden wir und sie keine Ruhe finden.“

Der Volkstrauertag biete im Gedenken an die zahllosen Toten der Welt- und Bürgerkriege auf dem gesamten Erdball Gelegenheit inne zu halten. „Es sind bei Weitem nicht nur leere Rituale oder leere Worthülsen gut gemeinter Sonntagsreden. Gedenktage wie diese gehören vielmehr zum integralen Bestandteil unseres Seins“, führte der Stadtchef aus. „Denn erst das gelebte Bekenntnis zur Vergangenheit macht uns zu dem, was wir sind. Das gilt auch und vor allem für die dunklen Seiten der Geschichte. Wir können sie nicht einfach abstreifen, verdrängen, vergessen. Dies würde bedeuten, die eigenen Wurzeln abzuschneiden.“

So gedenke man am Volkstrauertag der gefallenen Soldaten aller Kriegsparteien, ohne einen Unterschied zwischen Nationalitäten oder Uniformen zu machen. Rund 20 Millionen Menschen sind während des Ersten Weltkrieges gestorben, mindestens 55 Millionen Tote gab es im Zweiten Weltkrieg. Voigt ergänzte: „Immer wieder sterben Männer, Frauen und Kinder in Kriegen und gewaltsamen Konflikten durch die Hand anderer. Und leisten Menschen heldenhaften Widerstand, die dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen.“

An einigen Stationen des Vormittags flocht Voigt Passagen ein, die auf die geschichtlichen Begebenheiten vor Ort abgestimmt waren. In Oberlind beispielsweise erinnere die Gedenktafel ganz besonders an „die vielen jungen Menschen, die unter der Herrschaft der Sowjets und ihrer Geheimpolizei gequält, gefoltert, abgeurteilt und zum Tode verurteilt worden sind. Unsere Gedanken und unsere Trauer gelten daher ganz besonders auch allen Opfern des Stalinismus, die in Gefängnissen und Lagern verstorben sind“.

Am Sonneberger Hauptfriedhof kam er derweil auf die Zahl von 148 Kriegsgräbern zu sprechen, in denen 102 Bürger der ehemaligen Sowjetunion, 26 Deutsche, zwölf Ungarn, einzelne Jugoslawen, Polen, Tschechen und Rumänen liegen. „Es waren Soldaten und Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, die in und um Sonneberg ihren Tod fanden.“

„Wozu sind Kriege da?“ – diese Frage, die der Sänger Udo Lindenberg in einem seiner Songs stellte, griff Voigt auf: „Sie ist aktueller denn je. Während wir hier für den Frieden mahnen, toben weltweit und auf fast allen Kontinenten 29 Kriege und bewaffnete Konflikte. Während wir hier trauern, sterben täglich etwa 500 Menschen durch gewalttätige Konflikte und gibt es rund 182 000 Kriegstote pro Jahr. Während wir hier stehen und der Opfer der Vergangenheit gedenken, erleben wir in der Gegenwart europaweit ein Erstarken jener verhängnisvollen Ideologien und Propagandamuster, die vor einem Dreivierteljahrhundert den Kontinent beinahe in den Abgrund gerissen haben und ein Bröckeln von demokratischen Strukturen.“ 

Angesichts dessen könne man ins Zweifeln kommen, ob aus der Vergangenheit tatsächlich die richtigen Lehren gezogen wurden und ob radikalem Gedankengut, gepaart mit Fremden- und Demokratiefeindlichkeit, wirklich der Nährboden entzogen sei. Die Erinnerung verblasse und es gebe immer weniger Zeitzeugen, die aus erster Hand berichten und eindringlich mahnen können. Genau deshalb nannte er das Gedenken so unentbehrlich: „Wir müssen all unsere Kräfte aufbieten, um uns dem Vergessen und Verdrängen entgegenzustemmen. Sich der Vergangenheit zu stellen, bedeutet in meinen Augen ein Ringen um Freiheit und Demokratie.“

Abschließend würdige der Bürgermeister die Initiative des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge: „Ohne sein fortwährendes Engagement, wäre manches Grab, manche Gedenkstätte, manches mahnende Denkmal längst in Vergessenheit geraten.“ Sein Dank gelte all jenen Helfern, „die sich in unserer Region und auf der ganzen Welt bis zum heutigen Tag und in Zukunft für eine aktive Erinnerungskultur einsetzen.“ Das Beisammensein an den Ehrenmalen klang jeweils mit einer Schweigeminute aus.