Meldungen aus dem Landesverband Thüringen
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Reisebericht Workcamp Gotha 25.07. - 01.08.2020

Olga Melnyk

Morbider Charme beschreibt den Gothaer Hauptbahnhof wohl noch am freundlichsten. Von mehr oder minder anstrengenden Bahn- bzw. Autoreisen gezeichnet, trafen langsam alle Teilis in der Unterkunft, dem Internat der Thüringer Steuerverwaltung, ein. Nachdem der organisatorische Teil besprochen war, verlebten wir nach einigem Kennenlernen einen sommerlichen Grillabend, der seltsam schnell zur Nacht wurde und plötzlich war es Sonntag.
Dieser begann mit einer Führung über den Gothaer Hauptfriedhof, welcher sich, ganz ähnlich zur dazugehörigen Stadt, als ein verstecktes Juwel mit unerwartet viel Geschichte entpuppte. Mit Gräbern Gefallener des 1. und 2. Weltkriegs, westalliierter Soldaten, sowjetischer Soldaten sowie Gefallener des Kapp-Putsches befinden sich dort die letzten Ruhestätten militärischer Opfer, aber auch zivile Opfer, vorrangig Zwangsarbeiter*innen aus Lettland und Gothaer Opfer des Luftkampfs liegen hier begraben. Diese Vielzahl an Geschichten und wie sie ineinander, wortwörtlich, Verwachsen, ist in dieser Form wohl einzigartig, einzigartig und sonderbar schön.
Der sich anschließende Workshop zum Wissen über das Dritte Reich vervollständigte den thematischen Einstieg und um diesem einen Kontrapunkt zu setzen, guckten wir abends einen der besten Filme der Coen-Brothers: „The Big Lebowski“ führte uns in die Nacht.
Endlich war es Montag und die Arbeit konnte beginnen. Die elf Teilnehmer*innen wurden in zwei Gruppen geteilt, um die gegebenen Hygienevorschriften einhalten zu können. Eine Gruppe pflegte die Grabstätten und das Denkmal der Roten Armee, während die anderen das Denkmal der Alliierten auf Vordermann brachten. Nachdem einige Interviews für den MDR gegeben waren, brachen wir Richtung Unterkunft auf, um den Nachmittag in Erfurt zu verbringen. Ohne Erfurt Unrecht tun zu wollen, betrieben wir fleißigen Baustellentourismus, bummelten durch die Stadt, aßen Eis und fuhren zurück in die Herberge.
Am nächsten Tag arbeiteten wir wie üblich bis mittags auf dem Friedhof und gingen danach, um auch den Spaß nicht zu kurz kommen zu lassen, in ein Freibad. Der Tag zerfloss, wurde zum Abend und ehe man sich versah, war es Mittwoch.
Halbzeit: die ersten Tage waren im Flug vergangen und auch heute sollte es nicht anders sein. Während der Arbeit kristallisierte sich schon ein für den Volksbund eher atypisches Problem heraus, wir arbeiteten nämlich zu schnell. Man gab sich also Mühe den Arbeitsprozess mittels ausgiebiger Pausen zu verlängern, ohne dabei jedoch Erfolg zu haben. Die Arbeit war getan und nachmittags gab es einen kurzweiligen Empfang des Oberbürgermeisters von Gotha, seines Zeichens ebenfalls Volksbundmitglied, welcher sich dankenswerter Weise die Zeit nahm, den Teilnehmenden ein Moment der Anerkennung und ein kleines Präsent zu schenken.
Darauf folgte Freizeit in der Gothaer Innenstadt, welche sich, wie schon eingangs erwähnt, als unerwartet schön präsentierte und anschließend war es schon wieder Abend geworden.
Da das diesjährige Camp coronabedingt nur mononational stattfinden konnte, fiel der ansonsten obligatorische Länderabend aus, stattdessen gab es einen Abend der Individuen. Jeder stellte zwei persönliche Gegenstände mit den damit verbundenen Leidenschaften vor, um den anderen einen, über das bloß ersichtliche hinaus gehenden, Eindruck von sich selbst zu vermitteln. Nicht nur in der Theorie ein gutes Konzept, niemand traute sich nicht zu reden und die Dinge, die gesagt wurden, schürften nicht selten tief. Geplättet von dieser, in Ermangelung eines besseren Wortes, Zärtlichkeit, gingen wir schlafen und tankten Energie für den morgigen Tag. 
Sämtliche Befürchtungen bewahrheiteten sich und allen übermäßigen Pausen zum Trotze, waren wir am Donnerstag schon mit der angedachten Arbeit fertig, da sich aber immer noch etwas findet, sollte dies nicht weiter schlimm sein. Nach getaner Arbeit stand eine ambitionierte Wanderung auf dem Programm. Sechs Stunden Fußmarsch sowie 600 Höhenmeter lagen vor uns, als wir begannen,  die „Drei Gleichen“ abzuwandern. Nach einigen Wegfindungsstörungen hatten wir ein gesundes Tempo gefunden und wanderten durch die nachmittägliche Sommerhitze. Mit zunehmender Erschöpfung stieg die Begeisterung und auch wenn wir zuletzt eher trotteten, als zu wandern, war allen Wanderern ein dezentes aber ehrliches Lächeln ins Gesicht gebrannt.
Abends wurden nochmal die vorerst letzten Energiereserven in Geselligkeit und Gesellschaftsspiele investiert, erschöpft und zufrieden fielen wir ins Bett.
Leider war es Freitag geworden. Nachdem einige restlichen Aufräumarbeiten geleistet worden waren, hielten wir eine von den Teilis erdachte, außerordentlich berührende Gedenkfeier, ab und fuhren wiederholt nach Erfurt, um eine Führung am „Erinnerungsort Topf & Söhne“ zu erhalten. Auf dieser doch eher nachdenklichen Note endend, fuhren wir zurück Richtung Unterkunft um den letzten Abend vorzubereiten. Wieder wurde gegrillt, die allgemeine Heiterkeit stieg und bis in die späte Nacht verabschiedeten wir uns voneinander. 
Endlich war es Samstag, hätte man sagen können, wäre man nicht dabei gewesen. Es war Samstag und nach letzten Reinigungsarbeiten löste sich die Gruppe langsam auf. Geschafft vom Abschiedsabend fuhren wir nach Hause, eine intensive, aber zu kurze Woche lag hinter uns. Wir hatten etwas Gutes geleistet, hatten Spaß dabei, nur war es nun vorbei.
Auf ein nächstes Mal. 

Tankred Suckau