Meldungen aus dem Landesverband Thüringen
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Nie wieder ist jetzt

– warum diese Botschaft gerade heute wichtig ist

Blick auf die Gäste der zentralen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in der Trauerhalle des Zentralfriedhofes Hildburghausen


Man muss den rollenden Schneeball zertreten, die Lawine hält keiner mehr auf. Das wusste schon Erich Kästner, der dies in seiner Rede 1958 anlässlich einer Veranstaltung zum 25. Gedenktag der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten betonte. In Hildburghausen, wo die diesjährige zentrale Gedenkveranstaltung des Freistaats Thüringen zum Volkstrauertag stattfand, könnte Kästners Metapher nicht aktueller sein. In der Nacht vom 9. zum 10. November 2024 zerstörten Rechtsextreme in Hildburghausen Kränze und Blumen, die zum Andenken an die Novemberpogrome 1938 niedergelegt worden waren und beklebten Gedenktafeln mit rechtsextremen Aufklebern. 

Vor der Gedenkveranstaltung auf dem Hildburghäuser Friedhof besuchte Ministerpräsident Bodo Ramelow deshalb noch das Rathaus. Dort fand eine erneute Kranzniederlegung im Gedenken an die jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen statt, die während der Novemberpogrome 1938 und des anschließenden Holocaust gelitten und ihr Leben verloren haben. Der Volkstrauertag ist also nicht nur Gedenktag, sondern auch Mahnung an alle Menschen, welche schrecklichen Folgen Hass und Hetze haben. 
 

Trotz des regnerischen Starts in den Volkstrauertag waren etwa 100 Gäste gekommen, als nach der Begrüßung durch Bürgermeister Patrick Hammerschmidt in der Trauerhalle des Friedhofs und dem Gedicht „Gestohlener Vater“, vorgetragen von Josephine Böttcher, MP Ramelow eine ergreifende Rede hielt. Diese Rede ließe alle im Raum nachdenklich werden, denn Ramelow thematisierte nicht nur das Andenken an die gefallenen deutschen Soldaten, mit keinerlei Distinguierung nach Dienstgrad oder Truppenzugehörigkeit, sondern auch den in Deutschland immer stärker werdenden Rechtsdruck. Es darf nicht sein, dass eine „Schule gegen Rassismus“ mit Aufklebern wie “NS-Zone” verunstaltet wird und Kinder verunsichert und eingeschüchtert werden. 

Leonard, ein Schüler der 12. Klasse des Gymnasiums Georgianum, hat sich durch die Sticker nicht verunsichern lassen und stellte den Gästen die Kriegsgräberstätten in Hildburghausens vor. So die Alliierte Grabanlage und die der Bombentoten, die unter anderem während oder nach dem Luftangriff auf Hildburghausen am 23. Februar 1945 verstarben. Tragischerweise wurde, anstatt der von den Fliegern vorgesehenen Eisenbahnlinie, die Heilanstalt getroffen, die auch als Lazarett diente, weshalb auch viele dort behandelte Soldaten und Pflegepersonal zu Tode kamen. 

Doch hier liegen auch Opfer des Nationalsozialismus. Deutlich erkennbar ist dies auf der sowjetischen Grabstätte, die 1946 für 23 sowjetische Kriegsgefangene und 65 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen aus verschiedenen osteuropäischen Ländern angelegt wurde. Einige der hier Bestatteten waren im nahegelegenen ehemaligen Arbeitsumerziehungslager Römhild interniert, ein Außenlager des KZ Buchenwald. Während der Räumung des Lagers und dem anschließenden Todesmarsch mit hunderten Häftlingen, wurden etwa 80 marschunfähige und kranke Häftlinge in einen naheliegenden Stollen getrieben und der Stollen gesprengt. Die Toten wurden erst 1947 gefunden und dann auf dem Friedhof Hildburghausens würdig bestattet. 

Auf der Grabanlage der Opfer des Ersten und Zweiten Weltkriegs sprach Pfarrer Andreas Wucher ein Gebet für den Frieden auf der Welt und das Ende von Gewalt, bevor weiße Rosen an den Gräbern niedergelegt wurden. Ein Trompeter spielte zum Abschluss „Der gute Kamerad“ und selbst der Regen hielt sich wie aus Ehrfurcht zurück. 

Anschließend luden die Veranstalter alle Gäste noch zu warmer Suppe, belegte Brötchen, Kaffee und Kuchen in die Freiwillige Feuerwehr Hildburghausen ein, was nach dem grauen, kalten Tag gerade richtig kam. 

In Hildburghausen wurde am 17. November 2024 ein Zeichen für das Ende von Krieg und Gewalt gesetzt und daran erinnert, dass man gegen rechte Hetze aufstehen muss. Denn den Schneeball kann man, laut Erich Kästner, aufhalten, eine Lawine nicht. 

Josephine Böttcher, Bundesfreiwillige beim Volksbund Thüringen