Meldungen aus dem Landesverband Thüringen
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80 Jahre danach - Gedenken an die Toten der Bombenangriffe vom 30./31. März 1945 in Erfurt

Foto V. Gürtler Stadtverwaltung Erfurt

Was bleibt von den Menschen, die durch Krieg ihr Leben verlieren? 

Verschwinden alle ihre Geschichten, Erlebnisse und Träume mit ihnen? 

Bei der Gedenkveranstaltung im Erfurter Südpark zur Erinnerung an die Bombentoten vom Ende des Zweiten Weltkrieges und auch jener, die an den Folgen von Zwangsarbeit und NS-Diktatur verstarben, fragten sich das die Gäste wie auch die Schülerinnen und Schüler des Geschichtskurses des Pierre-de-Coubertin-Gymnasiums als auch die des Heinrich-Mann-Gymnasiums. Alle kamen zu der Erkenntnis, dass die Namen auf den Grabsteinen und Gedenktafeln zwar mahnen und an die Vergangenheit erinnern, doch das hinter einem menschlichen, individuellen Schicksal immer mehr als das steckt. 

Ostern 1945

Der 31. März 1945 war ein besonderer Tag, denn es war Ostern. Die Erfurterinnen und Erfurter gingen in die Kirchen oder saßen in Familie zu Hause, als der alliierte Bombenangriff auf die Stadt begann. Schon in der vorherigen Nacht hatte die RAF Sprengbomben auf Erfurt abgeworfen, die unter anderem den Domplatz, die damalige Feuerwache und den Kaffeetrichter trafen. Nun, einen Tag später, kostete der erneute Angriff weiteren 218 Erfurterinnen und Erfurtern das Leben. Der südliche Teil der Stadt wurde stark beschädigt, darunter auch die Thomaskirche, das Staatliche Gymnasium und die NS-Kreisleitung in der Schillerstraße, wo heute ein Spielplatz steht. 

Die letzten Tage des 2. Weltkrieges in Erfurt

Doch nicht alle der im Südpark Bestatteten wurden Opfer dieses Luftangriffs. Nur wenige Tage später rückte mit der US-Armee das Kriegsende für Erfurt immer näher. Trotzdem wollte der Kampfkommandant von Erfurt, Oberst Otto Merkel, die Stadt nicht kampflos aufgeben. Oberbürgermeister Kießlings Bitten nach einer kampflosen Übergabe wurden ignoriert und so gingen die sinnlosen und blutigen Kämpfe um die Stadt bis zum 12. April 1945 weiter. Die US-Armee unter General George S. Patton beschoss die Dörfer vor und auch Erfurt mit Artillerie, wobei viele Zivilisten ihr Leben verloren. Eine von ihnen, die 29-jährige Hanna Bohn, lief am 10. April 1945 auf der heutigen Auenstraße, als sie durch einen Schuss in den Bauch starb. 

Regionale Geschichte in den Kontext setzen

Die tragische Geschichte von Erfurt in den letzten Kriegswochen wurde durch den historischen Rückblick von Frau Oberstleutnant Buresch-Hamann und den Schülerinnen und Schülern des Pierre-de-Coubertin-Gymnasiums illustriert. Besonders kreativ war die Herangehensweise der Jugendlichen, die mehrere Einzelschicksale der auf der Grabanlage bestatteten Menschen durch ein szenisches Spiel nahebrachten. 

Polnische Grabanlage noch ohne Informationstafel

Das Ende der Gedenkveranstaltung fand sich an der Grabstätte für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Osteuropa. Dort liegen 291 Angehörige verschiedener Nationen, die meisten davon aus Polen. Die Grabplakette mit der Inschrift „Hier ruhen polnische Staatsangehörige, die in faschistischen Lagern gestorben sind 1941-1945“ täuscht, denn in dem Sammelgrab wurden auch Bürger aus der UdSSR, Ungarn und auch solche unbekannter Nationalität, bestattet. Was sie jedoch alle gemeinsam haben, ist, dass sie verschleppt wurden, um Sklavenarbeit für die Nationalsozialisten zu leisten und die Qualen und unmenschlichen Bedingungen nicht überlebten. Drei Schülerinnen des Heinrich-Mann-Gymnasiums haben festgestellt, dass man außer den Namen und den Lebensdaten keinerlei weitere Informationen zu den verstorbenen finden kann, wenn es überhaupt Namen gibt. Die Namen von 173 bekannten Personen sind teilweise falsch geschrieben und von der Individualität der Menschen hinter den Namen ist heute keine Spur mehr. Welche Geschichte hatte die 18 jährige Nina Neshjek, die an der schrecklichen Zwangsarbeit verstarb? Welche Wünsche und Träume sind mit ihr ausgelöscht worden? Und der kleine Metschislaw Peltschinski, der mit gerade mal zwei Jahren an einer Lungenentzündung verstarb, hätte ebenfalls eine erfüllte und glückliche Kindheit verdient. All das haben die Nationalsozialisten den Menschen geraubt. Die Schülerinnen plädieren für mehr Aufklärung zum Thema Zwangsarbeit in Erfurt und für einen separaten Gedenktag, an dem man diesen Opfern würdig gedenken kann. 

Musik zum Abschluss

Mit musikalischer Umrahmung durch das Polizeiorchester Thüringen und dem Totengedenken, vorgetragen vom Schatzmeister des Volksbundes, Landrat a.D. Konrad Gießmann, endete die Gedenkveranstaltung. Manche ließ sie nachdenklich zurück, denn die Frage, was von Menschen bleibt, wenn sie ihr Leben in einem Krieg verlieren, ist heute noch immer aktuell und wir müssen entscheiden, wie wir ein würdiges Gedenken gestalten und den Frieden erhalten wollen. 

Josephine Böttcher, Bundesfreiwillige